von ESG Bildungszentrum Vacha
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17 Dez., 2021
Die traditionelle chinesische Veterinärmedizin (TCVM) hat eine lange Geschichte, die eng mit der Entwicklung im Humanbereich verknüpft ist. Der Kreis der Interessenten und Anwender wächst stetig. TCVM umfasst hauptsächlich die Bereiche Akupunktur, Moxa, Kräutertherapie, Ernährungslehre und Tui-Na. Dabei basiert die Behandlung auf einem holistischen Konzept von Therapie und Diagnose, welches die Selbstheilungskräfte im Körper unterstützt. Ganz im Gegensatz zur konventionellen Medizin, die vor allem Symptome behandelt, ist die TCVM darauf ausgerichtet, die zugrunde liegenden Störungen ausfindig zu machen und zu beseitigen, damit der Energiefluss wieder ins Gleichgewicht gebracht werden kann. Traditionelle chinesische Veterinärmedizin kann bei vielen unterschiedlichen Problemen, darunter beispielsweise, angewandt werden: - Hauterkrankungen - Herz-, Kreislaufprobleme - Geriatrie, um die Lebensqualität alter Tiere zu unterstützen - Asthma, Husten und andere Probleme des Respirationssystems - Neurologische Probleme wie Lähmungen und Epilepsien - Hormonelle Probleme wie Diabetes oder Schilddrüsenprobleme - Verhaltensprobleme Mögliche Ansätze der traditionellen chinesischen Tiermedizin 1. Akupunktur Bei der Akupunktur werden bestimmte Punkte an der Körperoberfläche mithilfe von Akupunkturnadeln stimuliert. So können Blockaden in den Meridianen (den an der Körperoberfläche verlaufenden und mit den inneren Organen verbundenen Energiebahnen) gelöst und eventuelle Störungen an den Organen entfernt werden. Die Akupunktur ist kombiniert mit schulmedizinischen Methoden ein ganzheitlicher Ansatz, um beispielsweise ernsthafte und vor allem schmerzhafte Erkrankungen wie Arthrose (eine degenerative Knochenerkrankung) zu behandeln und so eine deutliche Schmerzlinderung oder gar eine komplette Heilung zu erzielen. 2. Moxa-Therapie Die Moxa-Therapie stimuliert Akupunkturpunkte mithilfe von Wärme und Verbrennungen von Moxa (Beifusskraut), sodass die Zirkulation von Qi (Energie) und Xue (Blut) verbessert wird. Gerade bei chronischen Erkrankungen und Problemen durch Kälteeinwirkungen, aber auch für schwache und ältere Tiere wird diese Methode empfohlen. Die vielfältigen Anwendungsgebiete sind zum Beispiel Koliken, Bronchitis, zur Beruhigung, bei Durchfall, zur Geburtshilfe oder bei Wirbelsäulenerkrankung. 3. Chinesische Kräutertherapie Die chinesische Kräuterheilkunde hat eine lange Tradition, die rund 2000 Jahre zurückgeht. Die ersten Kräuterrezepte Chinas sowie das erste Handbuch der chinesischen Heilkunde wurden daraufhin im ersten Jahrhundert fertiggestellt. Während die ersten Rezepte sehr einfach waren, so zeigen sich spätere Variationen durchaus komplex und sind so aufgebaut, dass sie die Disharmonie im Körper bereinigen können. Dafür werden nur selten einzelne Kräuter verwendet, vielmehr kommen Kombinationen aus mehreren Kräutern zum Einsatz, die unter das Futter vermischt werden können. 4. Tui-Na Die chinesische Massage Tui-Na behandelt nicht nur die Muskeln, sondern nimmt Einfluss auf den gesamten Stoffwechsel. Gerade bei Hunden hat sich Tui-Na bewährt und wirkt sich oftmals beruhigend und entspannend auf das Tier aus. Eine Besonderheit von Tui-Na-Massagen ist die Tatsache, dass diese nicht zwangsläufig nur von Therapeuten durchgeführt werden können, sondern auch für den Tierhalter erlernbar sind. Nach einer entsprechenden Einschulung können die Besitzer die Techniken demnach auch selbständig zuhause durchführen. Behandlungsbeispiel Arthritis / Arthrose Karpalgelenk: Die westliche Medizin hat verschiedene Möglichkeiten, die betroffenen Gelenke zu lokalisieren und den Umfang der bereits eingetretenen Schädigungen zu beurteilen. Mögliche Ansätze sind z. B. Gangbildanalyse, Röntgen, Ultraschall, Wärmebilder etc. In der Regel werden die betroffenen Gelenke mit Kortikoiden, Hyaluronsäure oder mit diversen Entzündungshemmern eingespritzt sowie oral verschiedene Schmerzmittel verordnet. Die TCVM arbeitet ein wenig anders. Das Verständnis über die Auswertung gesammelter Symptome und Begleiterscheinung sowie der Krankheitsäußerung ermöglicht eine Auswertung des Ungleichgewichts innerhalb des Systems der 5 Wandlungsphasen. So sind z. B. Symptome wie Rückenschmerzen, akute Lahmheit im Sprunggelenk Hinweise darauf, dass der Funktionskreis Niere in der Wandlungsphase Wasser betroffen ist. Die Niere kontrolliert die Knochen, Gelenke, den Rücken und die Hinterhand. Weitere Begleitsymptome wie deutliche Abneigung gegenüber heißem Wetter, gerötete Schleimhäute und ein beschleunigter Puls sind Zeichen für „eingedrungene Hitze“ im Organismus. Mit der o. g. Diagnose ist es in der TCVM möglich, einen westlichen Krankheitsbegriff noch sehr viel weiter zu differenzieren. Unter dem Krankheitsbegriff Arthritis/Arthrose versteht TCVM mehreren Formen des Ungleichgewichts. Jede dieser Formen erfordert eine unterschiedliche Behandlungsstrategie, z. B: Nieren-Qi-Mangel-Syndrom, Nieren-Yang-Mangel, Nieren-Yin- und Qi-Mangel, Stagnation von Feuchtigkeit und/oder Hitze in der Gallenblasenleitbahn u.a. Für jedes dieser Muster gibt es eine individuelle Behandlungsstrategie mittels Akupunktur, Kräuterlehre und Ernährungslehre. Nahrung ist Medizin, das gilt auch in der TCVM. Ernährung ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie. Lebensmittel haben unterschiedliche thermische Qualitäten, Geschmäcker und Wirkrichtungen. Sie können ebenso wie Kräuter eingesetzt werden und deren Wirkung verstärken. Ein Hund, dessen Beschwerden bei heißem Wetter schlimmer werden, braucht Abkühlung. Idealerweise wird das Futter des Tieres mit kühlenden Nahrungsmitteln ergänzt. Der beliebte Ingwer (wird als thermisch heiß eingestuft) hilft also nicht in allen Fällen von Arthritis. Steht das betroffene Körperareal fest, kann auch Tuina zur Schmerzlinderung eingesetzt werden. Tuina ist die chinesische Form der Massage. Die Techniken der Griffe decken sich zum Teil mit den aus der klassischen Tiermassage bekannten Techniken, ihre Anwendung richtet sich allerdings ganz gezielt an Leitbahnen und Akupunkturpunkte. Das umfassende Behandlungskonzept könnte wie folgt aussehen: Chin. Diagnose: Knochen-Bi-Syndrom, Yin-Mangel-Leere, Hitze in der Niere, Stagnation und Hitze in der Gallenblasenleitbahn Akupunktur (Beispiele): Bl 23, Ni 3, Lu 7, Ni 6, Le 3, Gb 39 u. a. Kräutertherapie: Die Rezepturen enthalten nährende Kräuter, die das Yin tonisieren und die Nieren stärken, weil dieser Funktionskreis maßgeblich am Entstehen der Beschwerden beteiligt war. Ergänzt werden sie durch Kräuter, die Schmerzen lindern können, indem sie Blockaden in den Leitbahnen beseitigen und für regelmäßigen Qi-Fluss sorgen. Tuina: Sanftes Drücken und rotierendes Kneten am Rücken in der Region von Blase 18, 19 und 26. Dann Vibrationen und Pressen von Leitbahnen, die über das Sprunggelenk führen, Reibungen am Gelenk, rollende und rotierende Techniken vom Sprunggelenk zur Fessel. Den Abschluss bilden, wie in der westlichen Massage, sanfte Dehnungen. Ernährung: Kühlende Nahrungsmittel wie Birnen, Melisse, Gerste, Gurke, Sellerie usw. können dazu gefüttert werden. Wie oben dargestellt, gibt es in der TCVM mehrere Ansätze und Therapieformen zur Linderung der Beschwerden und Symptome. Die Ansätze bilden zusammen ein harmonisches Ganzes. Je gründlicher die Diagnose durchgeführt wird und je genauer die Erkenntnisse daraus sind, umso deutlicher sind die resultierenden Erfolge.